Künstliche Intelligenz in der Medizin: Erwarten Sie das Unerwartete

2023-07-31
Alle reden über Künstliche Intelligenz in der Medizin – und jeder versteht etwas anderes darunter. Dieser Eindruck entsteht zumindest bei denjenigen, die sich intensiver mit dem Thema beschäftigten. Künstliche Intelligenz kommt darum immer auch ein bisschen nebulös und unsicher daher. Und Unsicherheit ist etwas, das Meedio mit allen Mitteln verhindern will – sei es beim Umgang mit Daten oder der Frage nach der Produktentwicklung. Runi Hammer, CEO und Gründer Meedio stand darum Rede und Antwort zum Thema Künstliche Intelligenz und ihrer Rolle innerhalb des Unternehmens.

Kein IT-Unternehmen kommt um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) herum. Was denkst du als Meedio Geschäftsführer über die Risiken und Potenziale von KI und wie findet KI Einzug in die Meedio Produkte?

Runi: Wenn wir über den Einsatz von KI sprechen, ist eines wichtig zu betonen: Künstliche Intelligenz ist kein Zukunftsthema mehr, sie ist längst in unser aller Alltag angekommen. Auch im medizinischen Alltag. Wenn wir also darüber reden, welche Rolle KI spielen wird, dann nicht mit der Frage verbunden, ob sie eines Tages kommen wird. Vielmehr sprechen wir darüber, wie wir mit KI künftig umgehen wollen, welchen Raum wir ihr geben und in welche Richtung wir sie lenken. Fest steht schon jetzt: Der Einsatz von KI wächst exponentiell, aktuell stehen wir am Anfang einer sehr steil ansteigenden Kurve und schon in einigen wenigen Jahren wird KI der wichtigste Faktor für Innovationen sein. Unternehmen, die KI aktuell noch nicht in ihre Produkte integriert haben, arbeiten mit Hochdruck daran, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.


In welchen Bereichen der Medizin ist KI denn heute schon fest verankert?

Runi: In allen. Wer in diesem Jahr die DMEA, Deutschlands größte Gesundheits-IT Messe in Berlin, besucht hat, wird festgestellt haben, dass nahezu alle Aussteller mit der Integration von KI in ihre Produkte werben. Der Einsatz von KI in der Radiologie zur diagnostischen Unterstützung oder der Einsatz der sprachgesteuerten Befundung sind nur die Spitze des Eisbergs. Und wenn wir uns fragen, wie künftige, KI-basierte Lösungen in der Medizin aussehen werden, dann müssen wir feststellen: Wir wissen es heute noch gar nicht. Und das ist die zweite wichtige Botschaft in Bezug auf KI: Die Potenziale von KI sind riesig und übersteigen unsere heutige Vorstellungskraft. Es wäre ein Fehler, auf KI basierende Innovationen ausschließlich in Weiterentwicklungen von Software zur Detektion von Rundherden oder einer vollständigen Sprachsteuerung von Software zu sehen. Entscheidend wird sein, dass wir unsere Energie auf die Bereiche lenken, in denen die größten Entlastungspotenziale stecken – in die medizinische Dokumentation zum Beispiel.


Für großes Aufsehen in der Medizin sorgte ChatGPT, wie schätzt du die Lösung ein?

Runi: ChatGPT ist ein gutes Beispiel für das nächste Level der KI. Das erste Level bestand darin, Informationen auf Basis von Daten über Präferenzen so zu selektieren, dass sie für den Anwender mit hoher Wahrscheinlichkeit relevant sind, wir kennen das von den Social Media Plattformen. ChatGPT geht einen Schritt weiter, weil die Lösung in einen direkten Dialog mit dem Anwender tritt und dadurch das Risiko einer individualisierten Manipulation entsteht. Künstliche Intelligenz beherrscht jetzt unsere Sprache. Und wir alle wissen, welche wundervollen Welten und welche Bedrohungen durch Sprache entstehen können. Dadurch, dass KI Sprache beherrscht, kann sie menschliches Verhalten potenziell lenken. Sie kann einem Arzt lebensrettende Anweisungen während einer OP geben. Oder sie sorgt mit dafür, dass sich Menschen radikalisieren. Beides ist möglich.


Das klingt etwas dystopisch.

Runi: Künstliche Intelligenz besitzt keine Eigenschaften. Wir geben sie ihr. Darum ist es so wichtig, dass wir kluge Entscheidungen darüber treffen, wie wir KI einsetzen. In der Medizin ist uns das bisher sehr gut gelungen, hier unterstützt die KI Ärztinnen und Ärzte bei ihrer Arbeit, hilft dabei bessere individuelle Entscheidungen zu treffen und die Versorgung von Menschen persönlicher und dadurch besser zu machen. Jetzt geht es darum, diesen klugen Weg fortzusetzen. Wie gesagt, müssen wir uns auf die wesentlichen Themen fokussieren. Die Dokumentation beispielsweise ist heute noch wenig automatisiert, Ärztinnen und Ärzte müssen immer noch viel selber dokumentieren und sich Informationen selbst beschaffen. Das können wir mit KI ändern. Schon bald werden Mediziner weniger Zeit mit der Beschaffung und Aggregierung von Informationen und mehr Zeit mit der Behandlung von Patienten verbringen. Und diese Entwicklungen passieren unglaublich schnell.


Kommen wir zu Meedio und dem Kernprodukt, der Videokommunikation. Nutzt Meedio bereits KI für die Produktentwicklung?

Runi: Natürlich nutzen wir auch KI in unserer Entwicklung. Aber nur dafür, um unseren Kundenservice zu schulen. Wir möchten herausfinden, ob KI unseren Kundenservice besser und schneller machen kann, damit Anwenderinnen und Anwender noch besser von unserer Lösung profitieren können. Unsere Kunden sollen sich künftig nicht mehr durch die FAQs lesen müssen, sondern schnell eine Lösung für ihr Anliegen erhalten – unabhängig von der Landessprache.


Und natürlich nutzen KI intern, um unsere Software weiterzuentwickeln. Das Schreiben von Code ist ohne den Einsatz von KI heute nicht mehr denkbar. Wir wären viel zu langsam und nicht mehr wettbewerbsfähig.


Aber Meedio nutzt keine Kundendaten, mit denen KI gefüttert wird?

Runi: Nein, absolut nicht. Für die Schulung des Servicetools nutzen wir ausschließlich die Daten aus unserem Benutzerhandbuch. Und auch an keiner anderen Stelle werden Kundendaten verwendet.


Wie steht es um den Produktteil, den die Anwenderinnen und Anwender sehen und erfahren. Also die Videokommunikation und das Messeging?

Runi: Hier geht es darum, die Daten und Informationen, die ausgetauscht werden, so gut wie möglich zu schützen. Also zu garantieren, dass keine KI in unserem Produkt ist. Denken wir an die jetzt schon verstörenden Fälle von Deep-Fake-Bildern und Videos, die es Laien fast unmöglich machen zu entscheiden, ob das Gesehene oder Gehörte echt ist. Deep-Fake ist ein Thema, das auch uns umtreibt, aus einem Sicherheitsaspekt heraus. Wir stellen uns die Aufgabe, um jeden Preis zu verhindern, dass unsere Nutzer an der Echtheit eines Gesprächs oder eines Gegenübers zweifeln können. Wir müssen garantieren, dass ein Gespräch echt ist. Dass ein Patient mit seiner Ärztin spricht. Mit dieser Aufgabe beschäftigen wir uns schon heute und haben schon einige gute Ansätze dafür. Der wichtigste ist, dass wir die gesamte Plattform, auf der unsere Lösung läuft, selbst kontrollieren können.


Welche Rolle spielen rechtliche Regelungen dabei, KI in die richtigen Bahnen zu lenken?

Runi: Eine große. Es muss für alle verbindliche Regeln geben und es braucht rechtliche Definitionen über den Einsatz von KI. In der EU haben wir mit der DSGVO einen soliden Rahmen geschaffen. Die drängenden Fragen beantwortet aber dieser nicht: Wer ist für KI generierte Ergebnisse verantwortlich? Wer haftet, wenn etwas passiert. Das alles ist bei Weitem nicht klar. Blicken wir auf die kommenden Entwicklungen, muss die Politik bei der Erarbeitung von Konzepten zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger und zum verantwortungsvollen Umgang mit KI einen echten Zahn zulegen.